VW-Akten dürfen von Staatsanwaltschaft ausgewertet werden
Verfassungsbeschwerden nicht erfolgreich
Im Rahmen von internen Ermittlungen befragte die US-Kanzlei Jones Day im Auftrag der Volkswagen AG ab 2015 rund 550 VW-Mitarbeiter, sah E-Mails durch und durchkämmte Aktenordner. Das Ergebnis der Untersuchung ist für die deutschen Behörden seitdem geheim. Allein das US-amerikanische Justizministerium hatte Einblick in die Ermittlungsergebnisse. Deutsche Justizbehörden konnten auf die gewonnenen Erkenntnisse bislang nicht zugreifen.
Die Staatsanwaltschaft München II beschlagnahmte bei einer Durchsuchung der Kanzleiräume von Jones Day im März 2017 Unterlagen, in denen sich Informationen zu den Ermittlungen befanden. Volkswagen rief daraufhin das Verfassungsgericht an, um die Verwertung der beschlagnahmten Akten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu verhindern. Volkswagen brachte vor, dass hierdurch das Recht auf ein faires Verfahren verletzt werden würde.
Die Verfassungsbeschwerde der Volkswagen AG gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts und die nachfolgende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts München I vom 08.05.2017 erachtete das Bundesverfassungsgericht mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig. Grund hierfür sei, dass nicht die Geschäftsräume der Volkswagen AG, sondern die Kanzleiräume von Jones Day durchsucht worden seien.
Die weitere Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts München, durch die die Sicherstellung der bei der Durchsuchung aufgefundenen Unterlagen richterlich bestätigt wurde und die hierauf folgende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts München I vom 07.07.2017 wurde jedoch als zulässig erachtet, da die Volkswagen AG hierdurch in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen sei. Letztendlich wurde die Verfassungsbeschwerde jedoch als unbegründet erachtet, soweit die Volkswagen AG sich auf eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG berufen würde. Aus diesem Recht folge laut Verfassungsgericht jedenfalls kein weitergehender Schutz als aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Auch die Rechtsanwaltskanzlei Jones Day hatte Verfassungsbeschwerden angestrengt. Diese waren aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch unzulässig, da die Kanzlei als ausländische juristische Person keine Trägerin von Grundrechten sei. Zudem erhoben drei Rechtsanwälte der Kanzlei Jones Day Verfassungsbeschwerde, welche jedoch mangels Beschwerdebefugnis als unzulässig erachtet wurde. Aus dem Vortrag der Beschwerdeführer ergebe sich nicht, dass sie durch die Durchsuchungsanordnung und durch die Bestätigung der Sicherstellung in eigenen Grundrechten verletzt worden seien. Insoweit genüge die Verfassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
(vgl. zum Ganzen: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.06.2018, - 2 BvR 1405/17 - und - 2 BvR 1780/17 - sowie Pressemitteilung Nr. 57/2018 des Bundesverfassungsgerichts vom 06.07.2018)
Die Auswirkungen der dargestellten Entscheidungen auf die Arbeit von Rechtsanwälten / Rechtsanwaltskanzleien als externen Compliance - Ombudsleute, externe Compliance- Officer, externe Betraute mit internal investigations oder externe Compliance-Risikobeauftragte werden nun in der Praxis lebhaft diskutiert werden.
Interessant ist dabei auch die Frage, ob das BVerfG bei einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei bzw. deutschen Rechtsanwalt anders entschieden hätte, da diesen ja der Schutz des Grundgesetzes wohl nicht per se abgesprochen hätte werden können.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die Ausführungen in Scherer / Fruth (Hrsg.): Integriertes Compliance-Managementsystem mit Governance, Risk und Compliance (GRC), 2. Auflage 2017, S. 242 ff., verwiesen:
[..]
Besteht ein Beschlagnahmeschutz (§§ 97 I Nr. 3, 160 a StPO) für Compliance-Ombudsleute?
Strittig!
Nein: LG Bochum, Beschluss vom 16.03.2016 (II 6 QM 1/16 NStZ 2016, S. 500 ff.):
Höchstrichterlich noch nicht entschieden!
Vgl. auch Szesni, Beschlagnahme von Unterlagen beim Ombudsmann, CCZ (Corporate Compliance Zeitschrift), 2017, S. 25-31